Mehr Wissen über Dich selbst mit dem Blick durch die Johari-Fensters
1. Bedeutung guter Selbsterkenntnis
„Mensch, erkenne dich selbst, dann weißt du alles.“ (Sokrates, 470 – 399 v. Chr., griechischer Philosoph)
Je mehr wir über uns wissen,
- umso mehr können wir unser Potential (unsere Gaben) erkennen und nutzen,
- um so eher können wir notwendige Änderungen erkennen und herbeiführen.
Je weniger wir vor der Welt verstecken müssen,
- umso weniger Energie brauchen wir für das Geheimhalten aufzuwenden.
Wenn wir mehr über uns wissen und weniger verbergen, werden wir selbstbewusster.
Doch in unserer Selbstwahrnehmung gibt es Lücken, Verzerrungen und Schutzmechanismen, die verhindern, dass das Wissen über sich selbst vollständig und „richtig“ ist.
Zwei Amerikaner entwickelten ein Modell, das in seiner zeitlosen Einfachheit noch heute hilft, das Thema Selbstbewusstsein zu beleuchten und Entwicklung zu ermöglichen.
Nutze die Übungen und Anregungen und schätze Dich auch selbst ein.
2. JOseph Luft und HARry Inghams Fenster (JOHARI)
Die amerikanischen Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham von der Universität von Kalifornien entwickelten 1955 ein grafisches Modell, das Veränderungen von Fremd- und Selbstwahrnehmung abbildet. Das Fenster zeigt die bewussten und unbewussten Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmale zwischen uns selbst und anderen bzw. einer Gruppe. Es geht bei der praktischen Arbeit mit dem Modell vor allem darum, die Selbstwahrnehmung mit der Fremdwahrnehmung abzugleichen, um die Zusammenarbeit und das Verständnis innerhalb von Gruppen zu verbessern.
Der Name Johari Fenster wurde aus den Vornamen der Erfinder gebildet (siehe Überschrift). Mit Hilfe des Johari Fensters wird vor allem der so genannte „blinde Fleck“ einer Person dargestellt.
Die jeweiligen Bereiche des Fensters zeigen auf, welche Aspekte uns und/oder unserer Umwelt bewusst oder nicht bewusst sind.
Seit den 60er Jahren hat das Johari Fenster einen festen Platz zur Demonstration der Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung und gehört zum Standardrepertoire gruppendynamischer Modelle und Verfahren..
3. So funktioniert das Johari-Experiment
Schritt 1: Selbsteinschätzung – 6 Adjektive auswählen
Im ersten Schritt des Johari-Experiments erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Liste mit Adjektiven. Aus diesen soll jeder fünf oder sechs auswählen, die ihre Persönlichkeit am besten beschreiben.
Die 56 Werte des Johari-Experiments:
- akzeptierend
- albern
- angespannt
- anpassungsfähig
- aufmerksam
- bescheiden
- bestimmt
- energievoll
- entspannt
- extrovertiert
- fähig
- freundlich
- fürsorglich
- geduldig
- geschickt
- genial
- glücklich
- großzügig
- heiter
- hilfreich
- idealistisch
- intelligent
- introvertiert
- kompetent
- komplex
- kühn
- liebevoll
- logisch
- mächtig
- mitfühlend
- nachdenklich
- nervös
- nett
- organisiert
- reaktionsschnell
- reif
- religiös
- ruhig
- scheu
- schlau
- selbstbewusst
- selbstsicher
- sentimental
- spontan
- still
- stolz
- suchend
- tapfer
- unabhängig
- verlässlich
- vernünftig
- vertrauenswürdig
- warmherzig
- weise
- witzig
- würdevoll
Schritt 2: Fremdeinschätzung meiner Person – wieder 6 Adjektive auswählen
Nach der Selbsteinschätzung folgt nun im zweiten Schritt die Fremdeinschätzung. Dazu erhalten die Gruppenmitglieder dieselbe Liste. Nun muss jeder der anderen Gruppenmitglieder seinerseits fünf oder sechs Adjektive auswählen, die ihre Kollegin oder ihren Kollegen bestmöglich beschreiben.
Schritt 3: Einordnung in das Johari-Fenster
Im dritten Schritt werden die Adjektive in die Felder des Johari Fensters eingeordnet.
Die Punkte, die jemand selbst und sein Umfeld ähnlich sehen, gehören in das Fenster öffentliche Person. Aber auch die Punkte, die jemandem von anderen zurück gemeldet werden, sind nun nicht mehr im Bereich des blinden Flecks, sondern ebenfalls öffentliche Person.
Sollte derjenige nun noch Aspekte von sich preisgeben, die das Umfeld nicht weiß, dann werden Punkte vom Bereich Privatperson in den Bereich der öffentlichen Person verschoben.
Johari Fenster Grafik, es existieren verschiedenste Darstellungsformen und Bezeichnungen der Felder
Die Interpretation des Ergebnisses findest du in Punkt 4. Wozu du das Johari-Fenster-Experiment durchführen solltest, welche Vorteile sich daraus für dich ergeben, erläutern wir in Punkt 5.
4. Interpretation des Ergebnisses vom Johari-Experiment anhand der vier Felder
Die vier Felder ergeben sich aus dem, was uns bekannt ist oder nicht und was anderen über uns bekannt ist oder nicht.
4.1. Öffentlich (die öffentliche Person)
Dieser Teil des gemeinsamen Wissens beinhaltet jene Aspekte des Verhaltens, die dem Betroffenen und seinem Umfeld bekannt sind. Da der Betroffene dieses Verhalten kennt, kann er es (bis auf unveränderbare Handlungen) verändern und die Reaktionen seiner Umwelt beobachten.
Zur öffentlichen Person zählen:
- äußere Merkmale (z. B.: Erscheinungsbild, Umgangsformen oder körperliche Reaktionen)
- persönliche Eigenschaften (z. B.: Ängstlichkeit, Arroganz, Ehrgeiz)
- Einstellungen (z. B. Glauben, Moral, Werte)
Im Vergleich zu den anderen Teilen ist dieser Ausschnitt zumeist klein. Die Faktoren, die Beziehungen stören oder verbessern, sind zumeist in den anderen Feldern.
Beispiele:
- Herr Müller weiß, dass er mitunter extrem extrovertiert ist und zu viel redet. Auch sein Team weiß das und kann sich so darauf einstellen und ihn daran erinnern.
- Sabine meidet schwierige Telefonate – sie ist dann immer extrem nervös. Ihr Team weiß das und hilft ihr in solchen Fällen.
4.2. Geheim (Privatperson, meine Geheimnisse)
Hier befinden sich die Aspekte des Denkens und Handelns, die dem Betroffenen bewusst sind und die sie oder er vor seiner Umwelt verbirgt oder nicht bekannt macht.
„Heimliche Wünsche„, „empfindliche Stellen“ und „tiefe Ängste“ sind Beispiele. Bewusst kann jemand an diesen Punkten arbeiten, sie mit anderen besprechen und gezielt alternative Verhaltensmöglichkeiten erarbeiten.
Beispiele:
- Herr Müller ist in Teammeetings häufig nervös. Er hat Angst, etwas Falsches zu sagen. Deswegen hält er sich sehr zurück. Seine Kolleginnen und Kollegen interpretieren das häufig als Desinteresse.
- Georg ist introvertiert. Er hat Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben. Das ist ihm äußerst peinlich. Leider bringt er sich und andere dadurch immer wieder in Gefahr.
4.3. Unbekanntes
Dieser Teil umfasst den unbewussten Bereich und ist weder dem Betroffenen noch seiner Umwelt unmittelbar zugänglich. In der Tiefenpsychologie wird dieser Anteil als „unbewusst“ bezeichnet und kann dort zum Gegenstand der Arbeit werden.
Beispiele sind verborgene Talente, ungenützte Begabungen oder traumatische Erlebnisse. Diese zeigen sich zwar in Verhaltensweisen, Antrieben oder psychosomatischen Reaktionen, aber deren Ursachen sind unklar. Weder dem Betroffenen noch seiner Umwelt sind sie bewusst oder bekannt.
Beispiele:
- Herr Müller ist ein großes Organisationstalent. Leider wissen weder er noch sein Team das.
- Frauke ist immer angespannt und kann keine wirkliche Nähe zulassen.
4.4. Blinder Fleck
Hier befindet sich der Anteil des Verhaltens, den jemand selbst über sich nicht weiß oder wahrnehmen will.
Die Umwelt hingegen nimmt diese Verhaltensweisen wahr. Diese unbewussten Gewohnheiten und Verhaltensweisen können wir uns bewusst machen. Dazu müssen wir Hinweise in Form von Feedback bewusst aufnehmen oder aktiv erfragen. Auch Verärgerung und Konflikte können helfen, Anteile des blinden Flecks zu erkennen.
Da wir in diesem Fall mehr über unser Verhalten und unsere Wirkung wissen, wird der blinde Fleck verkleinert und in den Quadrant „Öffentlich“ transportiert. Nun haben wir die Möglichkeit, wo gewollt, Veränderungen in unserem Verhalten herbeiführen. Die Faktoren im Bereich des blinden Flecks sind für die Zusammenarbeit und die Beziehungen häufig besonders wichtig.
Wie groß die einzelnen Quadranten sind, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Es ist abhängig vom Umfeld (z. B. wie viel Feedback bekommt jemand von anderen) und wie gut kennt jemand sich selbst. Generell ist es hilfreich, den blinden Fleck zu verkleinern und auch manche Aspekte der Privatperson öffentlich zu machen.
Beispiel:
- Herr Müller ist dankbar für berechtigte Kritik, reagiert körpersprachlich aber abwehrend und verletzt. Mittlerweile mag ihm keiner mehr Rückmeldungen geben.
- Jens erzählt ständig und langatmig, was er alles bereits gemacht und geleistet hat.
Weitere Beispiele für generelle blinde Flecken:
- Arrogant wirkendes Auftreten
- Abwehrende Verhaltensweisen bei Kritik
- Ständige Belehrungen
- Kein Vertrauen in andere
- Eindruck von Gesprächspartnern, dass wir nicht zuhören
- Unbewusste Gewohnheiten (sprachlich, körpersprachlich)
- Belehrende Kommunikation
- Vorurteile
- Killerphrasen
Benutzte Quelle von Michael Behn (blueprints Team): https://www.blueprints.de/artikel/selbst-bewusst-sein/das-johari-fenster.html