Die sieben Todsünden der Menschen:

  1. Habgier,
  2. Geiz,
  3. Hochmut,
  4. Neid,
  5. Trägheit,
  6. Wollust und
  7. Völlerei.

Das waren im Mittelalter die schlimmsten Versuchungen, denen ein Mensch erliegen konnte.

Welche Bedeutung haben diese Todsünden heute? Was bedeuten heute in einer Welt ohne Engel und Dämonen die im tiefchristlichen Mittelalter definierten Todsünden?

In allen Epochen haben sich Künstler mit diesem Sündenkatalog auseinandergesetzt „Lust und Laster“ heißt die aktuelle Ausstellung im Kunstmuseum und im Zentrum Paul Klee in Bern. Sie dokumentiert den künstlerischen Umgang mit den sieben Todsünden vom Mittelalter bis in die Gegenwart und kommt zu einer verblüffenden Erkenntnis: Was im Mittelalter als Todsünde galt, zählt heute zu den akzeptierten und sogar erwünschten Verhaltensweisen.

Beispielsweise hat es die Habgier im Kapitalismus zu einer zentralen Tugend gebracht.

  • Trägheit geht heute als Wellness durch und Völlerei ist an Weihnachten ohnehin Pflicht.

Der Philosoph Richard David Precht zeigt in seinem  Buches „Die Kunst, kein Egoist zu sein“ klar auf, daß der Kapitalismus vom Wertesystem vergangener Epochen zehrt und Werte wie Ehre und Vertrauen aushöhlt und ersetzt diese durch egoistische Motive.

  • Wollust — eine der sieben Todsünden.
  • Hochmut gilt als die schlimmste,
  • Habgier gehört dazu und
  • der Neid – auf die schöne Konkurrentin zum Beispiel —
  • genauso wie der Zorn.
  • Trägheit ist eine Todsünde und
  • natürlich die Völlerei.

Precht: „Das, was mit Sünde gemeint ist, das heißt, gesellschaftliches Fehlverhalten zu ächten und auch im Zweifel darauf zu zeigen und zu sagen, das wollen wir nicht, deutlich zu machen, was wir achten, welche Werte wir haben und was wir ächten, das ist für unsere Gesellschaft unverzichtbar.“

Mitte des 19. Jahrhundert malte Thomas Couture die Habgier, um zu warnen vor dem Verfall der Werte durch das frühkapitalistische Gewinnstreben. Und heute können wir uns solch eine Moral offenbar nicht mehr erlauben: „Wenn jeder von uns morgen beschließt, ein Heiliger zu werden“, so Richard David Precht, „bricht unser Wirtschaftssystem zusammen. Unser Wirtschaftssystem ist darauf angewiesen, dass die Leute deutlich mehr haben wollen, also von Habgier, als dass sie brauchen. Wenn das nicht mehr wäre, würden unsere Binnenmärkte nicht mehr funktionieren. Neunundneunzig Prozent aller Weihnachtsgeschenke, die wir uns schenken, brauchen wir nicht.“

„Einerseits brauchen wir den habgierigen, den hedonistischen, den konsumgeilen Konsumenten“, so Precht, „und auf der anderen Seite den bescheidenen, zurückhaltenden, höflichen, tugendhaften Staatsbürger. Und die Balance zwischen beiden zu halten, ist eine Aufgabe zwischen Staat und Gesellschaft.“

Um die schwierige Balance zwischen egoistischen Wünschen und sozialem Verhalten geht es eigentlich bei allen Todsünden. Den größten Raum nimmt dabei in Bern die „Wollust“ ein, neudeutsch Geilheit. Ihr haben Künstler zu allen Zeiten mit Vorliebe gehuldigt, wobei die Werke dann gern so fromme Titel tragen wie „Lot und seine Töchter“ oder „Der verlorene Sohn“.

Die unerfreulichste Sünde ist der Neid: Er frisst das eigene Herz auf, wie diese Allegorie von Jacob de Backer aus dem 16. Jahrhundert uns sagen will. Den Neid unter „Freundinnen“ zeigt das Bild des Berner Künstlers Kotscha Reist. Neid ist heute ebenso verpönt wie „Trägheit“, faules Abhängen letztlich auf Kosten anderer. Zwar fürchten wir nicht mehr das Höllenfeuer. Aber trotzdem ist es uns sehr wichtig, von diesen „Sünden“ frei zu sein — nein, besser: so dazustehen.

„Wenn jemand anders Fehlverhalten zeigt“, sagt Precht, „dann war es die Person, dann war es dieser andere Mensch. Wenn wir selber Fehlverhalten zeigen, dann waren es die Umstände, konnten wir bestimmte Dinge nicht überschauen, wir wussten ja nicht und wir konnten ja nicht… Das heißt, wir sind als Person nicht schuld. Und das liegt daran, dass wir den Zustand, als Person schuldig zu sein, dauerhaft nicht ertragen können, ohne depressiv zu werden.“

Die Sünde des Hochmuts nennen wir heute: eitel sein, eingebildet oder elitär. Im Gewand des politischen Extremismus treffen wir auf die alte Todsünde Zorn. Die Todsünden sind alle noch da, verführerisch wie im Mittelalter. Denn sie ist „verdammt“ schwer – die „Kunst, kein Egoist zu sein“.

Buchrezension: Die Kunst kein Egoist zu sein von Richard David Precht from Michaela Werner on Vimeo.