Vom imperialen zum solidarischen Lebensstil

Text zitiert aus: https://www.fuereinebesserewelt.info/die-solidarische-lebensweise/

Unsere derzeitige imperiale Lebensweise hat keine Zukunft. Jedenfalls nicht, wenn wir Gerechtigkeit und Naturschutz wollen. Doch wie könnte eine solidarische Lebensweise eigentlich genau aussehen? Das I.L.A. Kollektiv hat Beispiele, Prinzipien und Strategien des Wandels.

Derzeit ist es für uns Europäer*innen eigentlich nicht möglich, vollkommen sozial und ökologisch zu leben. Alleine durch die ganze Infrastruktur oder die Art und Weise, wie öffentliche Institutionen handeln, sind wir mehr oder weniger gezwungen, uns an der Ausbeutung von Menschen, Tieren und Natur zu beteiligen.

Aber auch in unserem persönlichen Lebensbereich müssen wir uns schon anstrengen, uns genau informieren und mühsam nach Alternativen suchen, wenn wir unser Leben Schritt für Schritt umweltfreundlich und fair gestalten wollen: Wo kaufen wir unsere Kleidung? Woher kommen unsere Lebensmittel, unser Strom, unsere Elektrogeräte und so weiter und so fort?

Es ist zeitaufwendig und teuer, hier öko-sozial zu entscheiden – und manchmal auch gar nicht möglich (zum Beispiel gibt es bislang keine hundertprozentig fairen und ökologischen IT-Geräte). Dass das allgemein ohne Entrüstung hingenommen wird, ist eigentlich an sich schon ein Skandal. Doch die Frage ist: Wie könnte es besser gehen?

Prinzipien eines solidarischen Lebensstils

Wie könnte ein solidarischer Lebensstil konkret aussehen? Genau dieser Frage sind die Mitglieder des I.L.A. Kollektivs nachgegangen. Und sie haben ein Buch mit dem Titel »Ein gutes Leben für alle« darüber geschrieben. Es ist der Nachfolgetitel des Buches »Auf Kosten anderer« (hier auch kostenlos als PDF erhältlich), in dem das I.L.A. Kollektiv aufgezeigt hat, wieso unsere imperiale Lebensweise ein gutes Leben für alle verhindert.

Nun geht es darum, einen Ausblick auf eine mögliche solidarische Lebensweise zu geben. Dabei räumen die Autor*innen gleich zu Beginn ein, dass sie keineswegs eine Blaupause für ein solidarische Produktions-, Konsum- und Lebensweise liefern wollen. Sie wollen jedoch Anregungen und Inspirationen liefern.

Wesentlich sind jedoch einige Prinzipien, die sich nicht nur durch alle in dem Buch versammelten Beispiele ziehen, sondern auch jeder Suche nach solidarischen Alternativen zugrunde liegen sollten. Dazu gehören:

  • Die Demokratisierung: Alle sollen an allen Entscheidungen, die sie betreffen, beteiligt sein.
  • Commoning: Güter und Dienstleistungen sollen gemeinschaftliche erzeugt, genutzt und gepflegt werden
  • ReProduktion: Der Maßstab aller Tätigkeiten ist es, Leben zu erhalten, zu entfalten und Beziehungen zu pflegen.
  • Dependenz: Der Maßstab aller Tätigkeiten ist, dass Mensch und Natur untrennbar miteinander verbunden sind.
  • Suffizienz: Die Herstellung und Verteilung ist so organisiert, dass es genug für alle gibt, anstatt immer mehr für immer weniger.

Das gute Leben für alle - I.L.A. Kollektiv (Hrsg.)

Die Bereiche einer solidarischen Lebensweise

Überall auf der Welt – auch hier bei uns in Europa – gibt es immer mehr praktische Beispiele, die quasi Inseln einer solidarischen Lebensweise sind in einem Meer aus imperialer Lebensweise. Das I.L.A. Kollektiv zeigt einige davon in ihrem neuen Buch »Das gute Leben für alle«. Die sechs Unterkapitel »Sorge«, »Ernährung und Landwirtschaft«, »Mobilität«, »Wohnen«, »Gebrauchsgüter« und »Energie« liefern Beispiele dafür, wie eine solidarische Lebensweise praktisch aussehen könnte.

Das Vorbild für eine gemeinschaftlich organisierte Pflege, die sich am Wohl der zu Pflegenden und nicht am Gewinn orientiert, ist etwa der dezentral organisierte Pflegedienst Burtzoorg aus den Niederlanden. Im Bereich »Ernährung und Landwirtschaft« sind es Solidarische Bauernhöfe, bei denen eine Gemeinschaft einen Landwirt finanziert und sich die Ernte gerecht teilt – oder die Ernährungsräte, die es in immer mehr Städten und Kommunen gibt und die sich für eine lokale, biodynamische und gesunder Ernährung einsetzen.

Wie kommt der Wandel in die Welt?

An guten Beispielen, wie eine solidarische Lebensweise praktisch machbar ist, mangelt es also bereits heute nicht. Doch wie könnte der Weg in eine Gesellschaft aussehen, in der dies keine Nischen, sondern die Norm sind? Auch darüber haben sich die Autor*innen des I.L.A. Kollektivs Gedanken gemacht. Fest steht, dass dieser Wandel vor allem in den reichen Industrienationen des globalen Nordens geschehen muss – und dass es dafür keinen Masterplan geben kann.

Wichtig sind aber drei wesentliche Strategien, nämlich:

  1. Die Praktiken einer solidarischen Lebensweise ausbreiten: Die Anzahl der Alternativen muss immer größer werden genauso wie die Zahl der Menschen, die mitmachen.
  2. Die solidarische Lebensweise absichern: Damit solidarische Alternativen nicht rückgängig gemacht werden können, müssen entsprechende Infrastrukturen und Institutionen geschaffen werden.
  3. Die imperiale Lebensweise zurückdrängen: Hier soll zum einen eine weitere Ausbreitung imperialer Lebensweisen verhindert oder sogar zurück gedrängt werden (etwa, in dem die Energieversorgung wieder in die Hände der Bürger*innen gelangt etc.)

Jede*r von uns kann sich nun fragen, wo sie oder er von der imperialien Lebensweise negativ betroffen ist: Wer wohnt etwa auf dem Land und leidet unter dem Abbau öffentlicher Verkehrsmittel? Wer leidet unter zu viel (sinnloser) Arbeit und Stress? Oder wer lebt in prekären Verhältnissen? Dann wird es Zeit, sich die folgenden Fragen zu stellen: Wo kann ich mitmachen oder wie kann ich mich politisch organisieren, um etwas zu verändern? Und mit wem kannst du dich zusammenschließen, um die Transformation hin zu einer solidarischen Lebensweise voranzutreiben?

Das gute Leben für alle

Das Buch ist voll mit inspirierenden und ermutigenden Beispielen. Sie zeigen, dass jetzt schon ganz viel möglich ist, um solidarisch und ökologisch zu leben. Auch bei uns. Besonders gut gefallen hat mir, dass es im zweiten Teil sehr ausführlich und umfassend um die Transformationsstrategien geht.

Damit macht das Buch richtig Lust auf eine solidarische Lebensweise. Es zeigt, wie toll, sinnstiftend, gemeinschaftlich und erfüllend ein Leben jenseits des Hyperkonsums, des unendlichen Wirtschaftswachstums und der klassischen Erwerbsarbeit sein kann. Und wenn man dann motiviert und voller Tatendrang ist, kann man sich gleich die Strategien und Handlungsempfehlungen für den Übergang vornehmen.