Wenn die Welt untergeht: Sieben wirksame Wege zur Ruhe
01.03.2022 (aktualisiert: 15:02 01.03.2022)
Aleksey Imajew, Redakteur
Negative Emotionen dürfen und können nicht dauerhaft unterdrückt werden, meinen Psychologen. Wut, Enttäuschung oder Traurigkeit sind wichtige Gefühle, die das Recht haben, ausgedrückt zu werden. Manchmal geben die Nerven aber zur falschen Zeit auf. In diesem Fall können folgende wissenschaftlich bewiesene Tricks helfen, sich schnell zu beruhigen.
Deutschland steht unter Stress, geht aus der Studie der Techniker Krankenkasse (TK) hervor, die im Dezember 2021 veröffentlicht worden ist. Demnach fühlen sich knapp zwei Drittel (64 Prozent) mindestens manchmal gestresst. Mehr als ein Viertel (26 Prozent) tut dies sogar häufig. „Es zeigt sich, dass der subjektiv empfundene Stress bei den Menschen in den vergangenen Jahren noch einmal signifikant zugenommen hat“, zitiert die TK ihren Vorstandsvorsitzenden Dr. Jens Baas. 2013 betrug die Zahl der häufig Gestressten 20 Prozent. Im Jahr 2016 waren es 23 Prozent. Im Vergleich zu 2013 wurde bei dieser Kategorie also ein Anstieg um exakt 30 Prozent festgestellt.
Was tun, wenn man so überlastet ist, dass die eigene Welt zu untergehen scheint? Wir präsentieren Ihnen sieben einfache Tricks für Ruhe, die von Wissenschaftlern in ihren Experimenten bestätigt worden sind.
1. Tief einatmen
Ja, dieser Trick ist wohl seit Adams Zeiten bekannt. Die Wissenschaft konnte aber lange nicht begründen, wie und warum dieser Effekt so funktioniert. Erst 2017 führte ein chinesisches Forscherteam aus Peking eine besondere Studie zu diesem Thema durch. Demnach kann die Zwerchfellatmung, also die sogenannte Bauchatmung, die anhaltende Aufmerksamkeit, den Affekt und den Cortisolspiegel verbessern. Diese Studie lieferte Beweise, welchedie Wirkung der Zwerchfellatmung, einer Geist-Körper-Praxis, auf den gesundheitspsychologischen Zustand des Menschen demonstrieren.
Biochemiker an der Stanford University School of Medicine (US-Bundesstaat Kalifornien) erforschten ebenso die Auswirkung der tiefen Atmung. Im selben Jahr entdeckten sie eine winzige Gruppe von Neuronen tief im Hirnstamm, von der angenommen wird, dass sie die Geschwindigkeit und Tiefe der Atmung mit dem emotionalen Zustand verbindet. Je aktiver und flacher die Atemzüge sind, desto höher sind Aufregung und Nervosität, hieß es. Diese Behauptung stimme nun auch umgekehrt: je tiefer wir atmen, desto entspannter und ruhiger fühlen wir uns.
2. Blaulicht einschalten
Spanische Wissenschaftler aus der Universität Granada fanden auch 2017 heraus, dass das blaue Licht Menschen hilft, sich nach psychosozialen Belastungen schneller zu entspannen.
Psychosozialer Stress ist laut den Forschern eine kurzfristige nervöse Erschütterung, die beim Kontakt mit anderen Menschen auftritt. Dies kann wegen eines Streits mit einem Freund oder auf der Arbeit mit einem Kollegen vorkommen. Ähnliche Situationen ließ das Forscherteam für die freiwilligen Probanden abspielen. Danach wurden diese in den sogenannten Farbtherapieraum gebracht, wo eigentlich nichts drin war, was zur Beruhigung beitragen könnte. Der Raum war aber mit LEDs ausgestattet, die entweder ganz gewöhnliches weißes oder untypisches blaues Licht hatten. Es stellte sich heraus, dass sich die Gehirn- und Herzaktivität von Menschen unter weißem Licht im Durchschnitt in 3,5 Minuten und unter blauem Licht in 1,1 Minuten – also dreimal schneller – wieder normalisierte. Heutzutage gibt es im Verkauf eine große Auswahl an smarter Beleuchtung. So kann jeder mit einem entsprechenden technischen Assistenten und Smart-LED-Lampen das eigene Arbeitszimmer manchmal auch in einen Farbtherapieraum verwandeln.
3. Den entspannendsten Song der Welt auflegen
Nicht nur Beruhigungsmittel oder Psychotherapeutenkönnten dazu beitragen, dass man sich entspannt. Es könnte auch Musik tun! Der wissenschaftlich bestätigt entspannendste Song der Welt heißt „Weightless“, dauert acht Minuten bis zehn Stunden und senkt nachweislich den Herzschlag, den Blutdruck und die Atemfrequenz, erklärt das Portal Niusic. Seine Schöpfer warnen davor, ihn beim Autofahren zu hören. Der Song „Weightless“ wurde bereits 2011 von der englischen Band Marconi Union aufgenommen.
Dies geschah im Auftrag von Wissenschaftlern der British Academy of Sound Therapy. Sie wollten ein Experiment durchführen und ein Lied schaffen, das einen so schnell wie möglich beruhigen und sogar zum Einschlafen bringen konnte. Das Musikwerk ist acht Minuten lang und voll von unterschiedlichen Soundeffekten. Der Trick liegt im Rhythmus. Der Körper passt sich an ihn an, das Herz schlägt seltener, die Atmung verlangsamt sich und so entspannt sich der Zuhörer. Wem acht Minuten zu wenig sind, könnte sich nun auch eine zehnstündige Version genießen.
Die Wirkung des Songs war so verblüffend, dass das US-amerikanische Magazin Time ihn damals sogar in die Liste der 50 bedeutendsten Erfindungen des Jahres aufnahm.
4. Naturgeräusche genießen
Lauschen Sie entspannt den Geräuschen der Natur. Eine Studie von britischen Wissenschaftlern der Brighton and Sussex Medical School ergab, dass der Stresspegel deutlich reduziert wird, wenn sich Menschen die Geräusche der Natur anhören. Die Forscher setzten Freiwillige natürlichem und künstlichem (zum Beispiel technogenem oder sozialem) Lärm aus. Parallel dazu wurden MRT-Scans der Gehirne der Teilnehmer und eine Überwachung der Herzfrequenz durchgeführt. Wie sich herausstellte, hängt die Gehirnaktivität stark von der Art der Geräusche ab.
Bei natürlichen Geräuschen richtete sich demnach der Fokus unserer Aufmerksamkeit nach außen: wir beobachten die Natur, hören uns die Geräusche um uns herum an und fallen in eine Art wohltuende Trance. Bei der künstlichen Klangbegleitung verschiebt sich der Fokus der Aufmerksamkeit nach innen: wir fangen an, in Gedanken zu grübeln, uns Sorgen zu machen, unsere möglichen Nachteile zu übertreiben, was den Stress schließlich noch verstärkt. Beim Grübeln liefen negative Gedanken und Vorstellungen wiederkehrend ab, wie in „Gedankenkreisen“, warnt der Verein „Freunde fürs Leben“. Das sei in einer depressiven Episode besonders häufig, denn durch sie sei auch unser Denken, unsere Konzentration und Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt. Es falle uns also noch schwerer als sonst, klar zu sehen und Lösungen zu finden.
5. Etwas Schönes riechen
Die Wirkung einiger ätherischer Öle auf den Stresslevel wurde mehrfach belegt. Die Düfte von Lavendel und Rosmarin senken den Blutdruck und die Herzfrequenz, reduzieren Angst und Stress, behaupteten Wissenschaftler von dem Christine E. Lynn College of Nursing bei der Florida Atlantic University (US-Bundesstaat Florida) in einer noch 2009 durchgeführten Studie. Sie erforschten nämlich die Auswirkung von ätherischen Lavendel- und Rosmarinölen auf die Prüfungsangst bei Krankenpflegestudenten. Demnach reduzierte die Verwendung von ätherischen Lavendel- und Rosmarinölbeuteln den Prüfungsstress bei Krankenpflegestudenten. Die Probanden hatten niedrigere Pulsfrequenzen und fühlten sich besser.
6. Etwas mit maximaler Konzentration tun
Ob Geschirr spülen, den Boden wischen, den Desktop auf dem eigenen Computer oder Smartphone in Ordnung bringen oder sonst noch was – alles könnte zur Entspannung bringen, erklärten Wissenschaftler aus der Universität Florida in ihrer 2015 durchgeführten Studie. Egal, was für eine Aufgabe das sein mag, man sollte dabei versuchen, sich darauf zu konzentrieren. Demnach ist eine konzentrierte Aktivität ein sehr effektiver Weg, um Stress schnell abzubauen. Dies geschieht, weil wir durch die volle Konzentration von negativen Erfahrungen abgelenkt werden. Das Gehirn „schaltet“ um und reduziert die Produktion von Stresshormonen. Das ist also ein gutes Argument für einen richtigen Frühlingsputz.
7. Auf Selbstdistanzierung setzen
Ein Forscherteam aus mehreren britischen Bildungseinrichtungen machte im Jahr 2017 ihre Studie publik, in der sie über wohltuende Wirkungen des Trainings in Selbstdistanzierung und Perspektivenerweiterung für Menschen mit einer Vorgeschichte von wiederkehrenden Depressionen berichteten. Manchmal sollte man eine Situation von sozusagen außen betrachten, als ob diese mit jemandem anderen geschieht. Die Vorstellung, dass die Probleme nicht Ihre eigenen, sondern die von jemand anderem sind, könnte überraschend effektiv sein. Psychologen stellten einen starken Rückgang des Angst- und Stressniveaus fest.